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Haileab, 19, Schüler aus Eritrea

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ich bin ein Mensch, ich habe Menschenrechte. Und die will ich mir nehmen.

Letztes Jahr habe ich in Eritrea die 11. Klasse abgeschlossen. Wenn man das tut, gehört man in Eritrea dem Staat. Sie können jederzeit kommen und dich holen. Dann musst du zum Militär. Das wollte ich nicht, deshalb bin ich gegangen. Im Militär musst du für den Staat arbeiten, ohne Geld. Und du musst deinen Mitmenschen schlimme Dinge antun. Sie sind zu schlimm als dass ich es erzählen möchte. Es ist schlimm. Sehr sehr schlimm. Aber wenn du in Eritrea bist, dann kannst du dich nicht wehren. Entweder du tust, was sie dir sagen – oder du gehst ins Gefängnis. Aber nicht in ein Gefängnis wie hier in Europa. Es ist grauenhaft im Gefängnis. Politische Gefangene kommen in Gefängnisse unter der Erde. Dort gibt es kein Tageslicht. Nur Dunkelheit und Leid. Die Gefangenen sehen die Sonne nie wieder. Sie kommen nie wieder. Niemand hört jemals wieder von ihnen. Vor 13 Jahren gab es einen Politiker, Haile. Er war eine große Hoffnung. Er ist aufgestanden und hat gesagt: Das Volk von Eritrea hat Rechte. Sie sind Menschen. Die Regierung hat kein Recht sie so zu behandeln. Da haben sie ihn verhaftet. Niemand hat ihn je wieder gesehen. Es war eine schlimme Zeit für uns.
Seit 20 Jahren leiden die Menschen in Eritrea. Jeder kann jederzeit verhaftet werden. Aber niemand schaut hin. Ich bin ein Mensch. Ich habe Menschenrechte. Aber die Regierung in Eritrea verwehrt mir meine Rechte. Sie wollten mich zum Sklaven machen. Deshalb bin ich geflohen, ins Ausland. Die Grenze ist streng überwacht, denn sie wollen verhindern, dass wir das Land verlassen. Für jeden, der es über die Grenze schafft, werden zwei verhaftet. Und die kommen in eines der unterirdischen Gefängnisse. Niemand sieht sie wieder. Ich bin in Tsorona aufgewachsen, das liegt direkt an der Grenze zu Äthiopien. Ich kenne das Land dort. Deshalb war es für mich recht leicht den richtigen Weg über die Grenze zu finden. Wenn du an der Grenze aufwächst, siehst du viel. Ich habe oft gesehen, wie es Menschen nicht geschafft haben. Sie sind grausam zu ihnen. Durch Äthiopien bin ich gelaufen, nach Somalia. Dort gibt es Männer, die man bezahlt, damit sie dich nach Libyen bringen.
Sie fahren mit dir in Autos durch die Wüste. 15 bis 20 Menschen in einem Auto. Einmal am Tag gibt es ein bisschen Wasser zu trinken. Die Fahrt dauert sechs Tage. Das ist sehr hart. Für mehr Wasser ist kein Platz, weil so viele Menschen im Auto sind. In Libyen haben diese Männer Camps. Dort bringen sie die Menschen aus Eritrea, Äthiopien und Somalia hin. Du darfst nur gehen, wenn du sie bezahlst. Wenn du kein Geld hast, dann musst du für sie arbeiten. Ein Jahr, zwei Jahre, je nachdem. Ich hatte Geld von meiner Familie. Deshalb haben sie mich nach Tripolis gebracht. In Tripolis kommst du auf die Boote. Das sind aber keine echten Boote. Das sind kleine Schiffchen aus Plastik. Darauf sitzen 300 bis 400 Menschen. Es ist sehr riskant. Aber es ist der einzige Weg. Die Männer musst du wieder bezahlen, damit du auf ein Boot darfst. Sie fahren das Boot von der Küste weg, 15 Minuten. Dann springen sie ins Wasser. Und die Menschen müssen sehen, wie sie nach Italien kommen. Auf unserem Boot war Panik. Keiner wusste, was zu tun ist. Keiner kannte den Weg. Keiner wusste, wie man ein Boot fährt. Schließlich fand sich ein Somali, der das schon mal gemacht hatte. Er hat uns gerettet. Ich glaubte nicht, dass wir es schaffen. Ich dachte, das war’s. Nach 18 Stunden hat uns die italienische Marine gerettet und brachte uns nach Lampedusa. Wir hatten erst den halben Weg geschafft, haben sie uns gesagt. Wir waren mitten auf dem Meer, als sie uns fanden. Aber wir wussten ja auch nicht, wo wir hin fuhren. Von Lampedusa brachten sie uns nach Sizilien. Und da wurde es leicht. Ich habe mich in einen Zug gesetzt und bin fortgefahren. Jetzt bin ich hier. Ich will lernen, ich will in die Schule gehen. Auch in Eritrea wollte ich weiter zur Schule gehen. Mehr lernen. Sie hätten mich nicht gelassen. Aber ich bin ein Mensch, ich habe Menschenrechte. Und die will ich mir nehmen.

Ein Gedanke zu “Haileab, 19, Schüler aus Eritrea

  1. Ich bin erschüttert über das, was ich lese und auch im Fernsehen gehört habe. Es ist unvorstellbar, dass Menschen wie Nichts, wie Vieh behandelt werden. Dieses Jahr war ich in Weißrussland und habe eine Gedenkstätte besucht, wo uns die Geschichte der Kinder dort erzählt wurde, also auch die Zeit im 2. Weltkrieg. Es ist alles so schlimm zu hören. Ich wünsche euch allen, die ihr es geschafft habt ein gutes Leben und Zufriedenheit.

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