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Harry, 23, Farmer aus Nigeria

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Hier spüre ich zum ersten Mal seit Jahren Frieden. Mehr brauche ich nicht.

Mein Vater war Farmer und er war Katholik. Davor gehörte er einer Religionsgemeinschaft an, die Naturgötter anbetet und kultische Handlungen vollzieht, zum Beispiel Tiere opfern. Er änderte seinen Glauben, als ich geboren wurde. Doch die Menschen seines früheren Glaubens wollten ihn nicht in Ruhe lassen. Dann starb meine Mutter als sie meine kleine Schwester zur Welt brachte. Mein Vater war sich sicher, dass diese Leute etwas mit ihrem Tod zu tun hatten. Also ging er weg mit mir und meiner Schwester. Ich war zwei, meine Schwester ein winziges Baby. Er baute sich eine Farm auf. Eine erfolgreiche Farm. Er hatte Tiere, Felder, alles wuchs. Uns ging es gut. Unsere Mutter fehlte, aber es ging uns gut.
Eines Tages meldeten sich die Menschen wieder aus seiner alten Heimat, die mit dem alten Glauben. Sie sagten, dass er sie besuchen kommen solle. Was er schließlich auch tat. Er reiste zu ihnen und redete mit ihnen. Sie sagten ihm, dass sie ihre hohen Geister angerufen haben, um von ihnen zu erfahren, wer ihr neuer oberster Priester werden solle. Und sie sagten: „Dein Sohn soll unser neuer hoher Priester sein. Bring ihn uns.“ Damit war ich gemeint. Mein Vater sagte nein und ging. Sie kamen aber immer wieder. Dann begann das Vieh zu sterben. Die Felder wurden unfruchtbar. Und schließlich wurde mein Vater krank. Keiner konnte ihm helfen. Keiner wusste, was mit ihm ist. Wir brachten ihn in ein Krankenhaus. Sie sagten: „ Wir finden keine Erklärung. Medizinisch fehlt ihm nichts. Dieser Mann müsste gesund sein. Aber er stirbt.“ Ich wusste, dass er verflucht war.
Ich weiß, ihr hier glaubt es nicht, aber Flüche sind echt. Sie haben Macht. Ich konnte jedenfalls nichts tun. Meine Schwester und ich mussten zusehen, wie unser Vater starb. Tag für Tag wurde er weniger. Schließlich starb er. Und dann kamen sie wieder, diese Menschen aus der alten Heimat. Die Männer von dem Kult. Sie sagten: „Du siehst, was wir mit deinem Vater gemacht haben. Komm zu uns. Du sollst unser Priester sein.“ Ich sagte: „Ich werde nicht kommen. Ich kann nicht. Ich glaube an Gott, ich glaube an Jesus.“ Da sagten sie: „Dann wirst du sterben wie dein Vater. Auf die eine oder die andere Weise.“ Also verließ ich Nigeria. Ich hatte dort nichts mehr. Die Farm meines Vaters war bankrott und man wollte mich töten. Ich hatte einen Freund, der mir half. Er besorgte mir ein Visum und ein Flugticket. Dann habe ich Asyl beantragt. Hier spüre ich zum ersten Mal seit Jahren Frieden. Mehr brauche ich nicht. Ich gehe hier zum Gottesdienst und spüre einen tiefen Frieden in der Seele. Nun, studieren würde ich gern. Vielleicht gelingt mir ja auch das.

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