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Victor, mein Freund und die Liebe

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Das Wort Liebe sagt sich leicht. In Liebe zu leben wenn die Zeiten härter werden, das ist nicht ganz so leicht. Eltern kleiner Kinder können etwa davon berichten. Zwei Menschen, die vor kurzem noch zwischen rosa Wolken hüpften sind oft nicht mehr ganz so begeistert voneinander, wenn sie morgens um 4 Uhr mit dem Schlafmangel von Wochen im Kreuz ein schreiendes Baby beruhigen wollen.
Victor redet nicht davon, dass er seine Frau, Jecinta liebt. Er zeigt es immer wieder. Er hat in seinem Leben alles aufgegeben, um ihr zur Seite zu stehen. Obwohl es ihm seine Gemeinschaft sehr leicht gemacht hat, sie stehen zu lassen. Es war für ihn keine Option. Er hat tatsächlich sogar sein Leben riskiert, um mit ihr zusammen sein zu können. Dass er es nun nicht kann, um eben am Leben zu bleiben, ist eine Tragödie.
Victor liebt seine Frau nicht mit einer paternalistischen Liebe. Er liebt sie nicht als Versorger mit Besitzerstolz. Er liebt sie auf Augenhöhe und ich habe kaum einen Mann begeisterter über die Fähigkeiten seiner Frau reden hören. Sie ist Friseuse. Die beste der Welt, vermutlich, aber mindestens von Lagos. Victor möchte seiner Frau ermöglichen, ihr eigenes Leben zu leben, Möglichkeiten zu haben, sich zu entwickeln.
Victors Frau kann nun wieder arbeiten. Die Kinder gehen zur Schule. Victor hat sie gebeten, nicht irgendwelche Hilfsarbeiten anzunehmen. Er hat sie bestärkt, sich in ihrem Beruf fortzubilden. Weil er findet, dass sie eine großartige Friseuse ist. Weil er an sie glaubt. Bedingungslos. Sein größter Traum ist es, dass sie ihren eigenen Friseursalon aufmachen kann. Darauf spart er. Dafür arbeitet er seit einer Woche als Gerüstbauhelfer und Springer auf Baustellen.
Es berührt mich sehr, wie er seine Frau sieht, wie er über sie redet, wie er sie behandelt. Und es hat mich beschämt, dass es mich am Anfang überrascht hat, dass er seine Frau als völlig gleichberechtigt sieht. Dass er sie bewundert. Dass er sie gegen alles verteidigt, ihr alles geben möchte. Egal wie schwer sein eigenes Leben ist. Ich hatte das nicht erwartet. Victor ist Nigerianer. Ich hatte nigerianische Männer nicht als Vorreiter der Gleichberechtigung gesehen. Und tatsächlich sind sie es in der Masse nicht, wenn man so ziemlich jeder Quelle glauben kann, die ich kenne. Nigeria ist für seine männlich dominierte Gesellschaft bekannt. Wenn ein Mann keine männlichen Nachkommen hat, dann fordert ihn sein Umfeld auf, sich eine neue Frau zu suchen. Die männlichen Nachkommen erben traditionell alles, die Frauen nichts. Mädchen werden sehr viel häufiger nicht zur Schule geschickt als Jungen. Sexueller Missbrauch von Mädchen und Frauen am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Universität, in Sportverein, von Polizisten, Ärzten, Lehrern, Trainern ist ein fester Bestandteil der nigerianischen Gesellschaft. Illegal, aber geduldet von den Meisten.
Und dennoch. Was sagt das über den einzelnen Mann aus? Wie ich gelernt habe: Nichts.
Victor hat seine Frau Jecinta seit über zwei Jahren nicht gesehen. Er hat ein Foto von ihr. Wenn er von ihr erzählt, leuchten seine Augen.

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