Maurer

Victor, mein Freund und der Chef

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„He says I’m working good!“. Victor lacht. Er lacht, nein er kichert eher, fröhlich und leicht. Fast wie ein Kind. Seit Ende März hat er endlich einen Job. Er ist Helfer im Gerüstbau, hilft auf Baustellen. Viel niedriger kann man als erwachsener Mann im deutschen Berufsleben nicht einsteigen. Victor ist überglücklich. So habe ich ihn noch nie erlebt. Er hat einen Arbeitsvertrag, wird deutlich über Mindestlohn bezahlt, er bekommt Urlaub, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, er hat eine Krankenversicherung und einen netten Kollegen. Victor kann sein Glück fast nicht glauben. Als ich ihm das deutsche Arbeitsrecht erkläre, versteht er vieles nicht. Wie? Es gibt Tage, an denen er nicht arbeitet – und er wird trotzdem bezahlt? Er schüttet sich aus vor Lachen.
Victor hat einen Chef und dieser Chef ist sein Held. Er hat ihm einen Job gegeben. Und nicht nur das. Er kümmert sich um ihn. Er bringt ihm bei, was eine Maurerkelle ist und wie man damit umgeht. Er erklärt ihm geduldig die Unterschiede der verschiedenen Baustoffe – und warum Victor manchmal eine Staubmaske tragen muss und warum nicht jeder Bauschutt gleich ist. Es gibt viel zu lernen und Victor ist kaum zu bremsen. Er will alles richtig machen.
Victors Chef heißt Christian Schosser. Er ist ein kleiner Bauunternehmer mit zwei Angestellten, Ambiente Bau heißt sein Betrieb. Christian Schosser mauert selbst, verputzt, berät die unerfahrenen Bauherren, schleppt Gerüste, Stahlträger und Schutt, fährt zu Deponie, er macht sich jeden Tag die Hände schmutzig. Er liebt seinen Beruf, das spürt man. Und er fühlt sich für seine Angestellten verantwortlich. Er hat fast ein halbes Jahr lang nicht locker gelassen, bis Victor endlich eine Arbeitserlaubnis bekommen hat. Er hat ihm Arbeitskleidung besorgt und er holt ihn an seiner Unterkunft ab und bringt ihn wieder nach Hause. Er ruft im Flüchtlingsheim an und fragt nach, warum Victor noch immer keinen Platz im Deutschkurs bekommen hat. Er hat Victor nicht aus Mitleid angestellt. Er hat ihn eingestellt, weil er einen Mitarbeiter brauchte. Aber er gibt Victor eine Chance, ohne Ansehen seiner Herkunft, seiner Hautfarbe, seines Bildungsstandes. Er gibt Victor einen Platz in diesem Land und eine Möglichkeit für sich selbst zu sorgen und für seine Familie, mit seiner Hände Arbeit.

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